Name: Herr Knecht
E-Mail: dir-zs-ikt-barrierefreiheit@polizei.berlin.de
Telefon: 030-4664-0
Ansprechperson für Antisemitismus und andere Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Vertreterin des Antisemitismusbeauftragten der Polizei Berlin
www.berlin.de/polizei/aufgaben/antisemitismusbeauftragte-r/
www.berlin.de/polizei/aufgaben/ansprechperson-gruppenbezogene-menschenfeind-lichkeit/
Geführt von Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP, am 22. April 2021
Das Amt des Antisemitismusbeauftragten in der Polizei Berlin ist notwendig, insbesondere, wenn man die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen betrachtet. Besonders durch die Coronakrise sehen wir eine deutliche Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, dazu gehört auch ein wiedererstarkender Antisemitismus. Es wird viel offener und viel unverschämter damit umgegangen. Die Menschen trauen sich tatsächlich Dinge auszusprechen, die vielleicht viele, viele Jahre in ihnen schlummerten und glauben, jetzt sei möglicherweise der richtige Zeitpunkt gekommen. Ich denke, dass sich die jüdische Community dadurch deutlich verunsichert fühlt, vielleicht sogar bedroht. Und das ist schlimm. Insbesondere in dieser Stadt, die ja im Herzen sehr weltoffen und vielfältig ist.
Unsere Dienststelle gewährleistet, und das gilt zum einen für die jüdische Community, aber auch für alle anderen Betroffenen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit [GMF], dass sie einen erleichterten und vertrauensvollen Zugang zur Polizei Berlin haben. Wir wollen für Vertreter der Communitys sowie für NGOs da sein, aber natürlich kann uns auch jeder Einzelne ansprechen, z. B. bei Fragen wie: „Wie soll ich damit umgehen?“, „Soll ich eine Strafanzeige erstatten?“, „Soll ich keine Strafanzeige stellen? Was passiert dann?“ Dafür haben wir auch ein Beratungstelefon.
Die Polizeibehörde entwickelt sich kontinuierlich weiter. Es gibt seit vielen Jahren schon die Ansprechpersonen für LSBTI und jene für Interkulturelle Aufgaben beim LKA Prävention. Das heißt, die Polizei hat sich dem Thema Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit grundsätzlich gewidmet und erkannt, dass die Gesellschaft und die Polizei Berlin immer vielfältiger werden. Auch die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten war ein Teilschritt dieser Entwicklung, der bereits im August 2019 begann. Dahinter steht zweifelsohne auch die moralische Verantwortung gegenüber Jüdinnen und Juden, derer sich die Polizei Berlin sehr bewusst ist. Darüber hinaus ist es aber ein ernstgemeintes, ganz praktisches Angebot für die jüdische Community. Wir tun nicht nur so, als ob wir weltoffen und die Polizei für alle wären, sondern wir sind es tatsächlich auch. Und umso wichtiger und besser finde ich, dass sich der Bereich beim LKA Präv jetzt weiterentwickelt hat und man erkannt hat, dass es notwendig ist, sich ergänzend und konkret auch an alle anderen Communitys zu wenden.
Die Sensibilisierung für das Gesamtthema GMF innerhalb und außerhalb der Polizei Berlin wird auch durch uns immer mehr vorangetrieben. Es kann und sollte meines Erachtens dazu führen, dass der eine oder die andere für sich moralisch feststellt, dass es zum Beispiel nicht gut war, welche Sprüche oder Witze er oder sie früher geäußert hat. Es ist ja niemand frei von Fehlern. Aber jeder Mensch sollte sich weiterentwickeln. Wenn jemand in der Vergangenheit nicht für bestimmte Dinge sensibilisiert wurde, dann kann man es dieser Person auch nicht unbedingt vorwerfen.Bei vielen führt eine Sensibilisierung in Hinblick auf den Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Menschen, die der LSBTI-Community oder einer bestimmten Religion zugehören, ja erfreulicherweise auch zum Umdenken und zur Reflexion.
Und dann gibt es sicherlich die, die durch die Sensibilisierung einfach aufgeschreckt werden, weil sie sehen, dass bei Bekanntwerden ihrer Aussagen entsprechend reagiert wird. Da spielt dann auch die Angst vor Repression mit.
Es reicht nicht aus, nur auf die Täterseite zu schauen und hier ein Umdenken erreichen zu wollen. Neben den Gruppen der „Opfer“ und „Täter“ gibt es eine dritte Gruppe, die „Zuschauer/Zuhörer“ oder auch „Bystander“ genannt. Die Prävention muss diese Gruppe viel mehr in den Fokus nehmen, denn die „schweigenden Dritten“ unterstützen indirekt die Täterseite. Wenn diese wichtige dritte Gruppe nicht mehr schweigt und sich gegen menschenfeindliche Äußerungen positioniert, erlischt diese indirekte Unterstützung und die sich äußernde Person verliert an Macht und gerät unter sozialen Druck. Das ist ein Ansatz, der bei der Prävention extrem wichtig ist. Die Person, die es ausspricht, fühlt sich nur dann groß, wenn sie positiven Rücklauf erfährt und glaubt, dass Dinge „sagbar“ sind.
Wenn also der soziale Druck immer größer wird, wird es auch Uneinsichtige irgendwann verstummen lassen. Daran arbeiten wir. Aber auch die Vielfalt in der Behörde kann das teilweise regulieren. Wir stellen mittlerweile 35 Prozent des polizeilichen Nachwuchses mit Migrationshintergrund ein. Und wenn diese z. B. mitbekommen, dass seitens der Kollegenschaft oder vom polizeilichen Gegenüber bestimmte Sprüche geäußert werden, dann halten sie nicht ihren Mund. Die jungen Menschen lassen sich immer weniger gefallen. Das ist auch eine Frage der Generation. Auch nicht betroffene Jüngere äußern sich. Die sagen etwas, auch auf die Gefahr hin, dass sie im Nachhinein als „Petze“ gelten. Und das ist auch gut so. Im Ergebnis kann es nämlich dazu führen, dass wir auf den Fluren, den Straßen, den Toiletten oder wo auch immer, weniger rassistische, homophobe oder antisemitische Äußerungen finden.
In Hinsicht auf Hate Speech im Netz, menschenfeindlichen Äußerungen in Chats u. ä. ist Schweigen immerhin besser als Jubeln. Damit bleibt es aber auf jeden Fall im Verborgenen und das ist genau das, was wir nicht wollen. Ganz wichtig ist letztendlich die Gegenrede. Das ist ein sehr wichtiges Mittel. Und wenn man das nicht kann oder möchte, weil man Angst hat, dass man dadurch selbst zum Betroffenen von Anfeindungen wird, sollte man auf jeden Fall mit anderen sprechen und sie um Unterstützung bitten. Am besten bespricht man das z. B. mit anderen Teilnehmern der Chat-Gruppe. So kann man sich auch erst einmal gegenseitig stärken und informieren, wie man weiter vorgeht. Dafür könnte man sich dann auch bei uns beraten lassen.
Der Antisemitismusbeauftragte stellt sich jedes Jahr in der Willkommenswoche bei allen HWR-Studierenden sowie den Polizeischülerinnen und Polizeischülern vor. Unsere Ansprechpersonen für LSBTI halten auch immer Vorträge an den beiden Ausbildungsstätten. Es wird auch im Inter- und Intranet veröffentlicht, dass es die Ansprechpersonen gibt.
Das Vertrauen unserer Zielgruppen in die Polizei ist noch nicht so gestärkt, dass es ihnen leichtfällt, einfach auf den Abschnitt zu gehen und eine Anzeige zu erstatten. Und da möchte ich betonen, dass es gar nicht darauf ankommt, dass sie vorher persönlich schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, sondern es ist auch etwas, das weitergegeben wird. Außerdem ist die Behörde groß und anonym. Das wollen wir durchbrechen, indem wir uns persönlich vor- und darstellen und so Vertrauen wecken.
Polizeiintern sind wir auch dazu da, eine adäquate Gedenk- und Erinnerungskultur zu etablieren. Wir möchten darüber hinaus beratend zur Verfügung stehen. Wenn z. B. ein Durchsuchungsbeschluss für sensible Orte und Einrichtungen vorliegt, beraten wir gern, wie man sich dort verhalten sollte, wie man bestimmte Fehler vermeiden kann.