Name: Herr Knecht
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Leiter der Zentralstelle für Prävention im LKA Berlin, Antisemitismusbeauftragter der Polizei Berlin
Geführt von Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP, am 6. April 2021
Indem die Polizei Berlin erstmal überhaupt zum Ergebnis kommt, dass man so ein Amt einrichten will, und dann geschaut wird, wo eine entsprechende Anbindung sinnvoll sein könnte. Und da sind den meisten Verantwortlichen sehr schnell zwei Bereiche in unserer Behörde eingefallen. Der eine war der Bereich Polizeilicher Staatsschutz, weil der Staatsschutz viele Schnittmengen zum Thema Antisemitismus hat. Dort werden alle Straftaten mit einer antisemitischen Tatmotivation bearbeitet, dort werden alle Gefährdungsbewertungen für jüdische und israelische Objekte, Einrichtungen, Institutionen und Personen erstellt. Der zweite Bereich, der in den Fokus geraten ist, war die Zentralstelle für Prävention im LKA, da dort bereits die hauptamtlichen Ansprechpersonen für LSBTI sowie für Interkulturelle Aufgaben angegliedert waren.
Da der Staatsschutz bekanntermaßen ohnehin sehr stark gefordert ist und das Amt auch eher präventiv ausgerichtet werden sollte, hat man dann beschlossen, das neue Amt des Antisemitismusbeauftragten dem Bereich Prävention des Landeskriminalamtes (LKA Präv) anzugliedern.
Und dann hat man noch überlegt, wer dies in persona machen könnte. Da klar war, dass es ein sensibles und wichtiges Thema ist, wollte man das Amt in der höheren Führungsebene verankern. So kam man dann auf die Idee, die Aufgabe dem Leiter der Zentralstelle für Prävention zu übertragen, auch wenn von Anfang an klar war, dass es sich um eine arbeitsintensive Zugleichaufgabe handeln wird. Ich habe es tatsächlich als spannende Herausforderung gesehen. Und meine Grundüberzeugung ist, dass es eine der Kernaufgaben der Polizei sein muss, Minderheiten in diesem Land zu schützen, so dass ich mich mit der Aufgabe auch zu hundert Prozent identifiziere.
In der Ausgestaltung der neuen Aufgabe hat mir meine vorherige, dienstliche Erfahrung beim Staatsschutz das Leben leichter gemacht, weil ich viele Dinge auch aus einer anderen Perspektive kenne und damit weiß, was geht und was nicht. Außerdem hat es mir sehr geholfen, dass ich durch meine Zeit beim Staatsschutz viele Mitarbeitende dort persönlich kenne. Meine aktuelle Tätigkeit als Leiter der Zentralstelle für Prävention im LKA war ebenfalls sehr hilfreich, da ich dort bereits viele Akteure aus der Zivilgesellschaft und von unterschiedlichen NGOs kennengelernt hatte. Auch im Nachhinein betrachtet, glaube ich, dass die Anbindung dieses Amtes an das LKA Präv genau richtig war.
Bisher habe ich glücklicherweise nicht festgestellt, dass wir behördenintern ein massives Problem mit Antisemitismus haben, aber wir sind natürlich Teil der Gesellschaft und wenn die Gesellschaft ein Problem mit Antisemitismus hat, wäre es blauäugig zu glauben, die Polizei habe es nicht. Ich kann aber sagen, dass ich bisher nur ganz wenige Beschwerden oder Hinweise von Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf Antisemitismus innerhalb unserer Behörde erhalten habe. Insofern würde ich sagen, dass wir ein Problem mit Antisemitismus haben, weil wir Teil der Gesellschaft sind, und die Gesellschaft ein Problem mit Antisemitismus hat. In meiner Wahrnehmung hat sich unsere Behörde in den letzten dreißig Jahren (in denen ich Teil der Polizei Berlin bin) sehr positiv entwickelt und die Sensibilität insgesamt ist deutlich gestiegen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch einiges zu tun haben. Außerdem glaube ich, dass die Sensibilisierung zu Themen wie Antisemitismus, Rassismus und bezüglich unterschiedlichster Formen von Diskriminierung eine Daueraufgabe ist und wir als Behörde in diesem Zusammenhang immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen.
Das hat sicher etwas mit moralischer Verantwortung zu tun. Glücklicherweise haben wir aber bereits den nächsten Schritt gemacht, indem wir eine Ansprechperson für Antisemitismus und alle anderen Phänomene Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geschaffen haben.
Dies ist wichtig – wir sollten auch aufpassen, Opfer und Opfergruppen nicht zu hierarchisieren, denn alle Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind schlimm und wir müssen uns all diesen Phänomenen entschlossen entgegenstellen.
Gleichwohl hat Antisemitismus ob unserer Vergangenheit eine besondere Dimension und Bedeutung, das dürfen wir nicht vergessen.
Ja. Man setzt natürlich immer ein Zeichen mit der Ernennung eines Beauftragten. Wir leisten uns ja auch zwei hauptamtliche Ansprechpersonen für LSBTI, plus ein großes nebenamtliches Ansprechnetz. Wir könnten uns auch fragen, ob wir uns das leisten können. Andere Behörden haben nichts Vergleichbares. Ich glaube, dass diese Ressourcen gut investiert sind und wir in diesen Bereichen bundesweiter Vorreiter sind.
Entsprechende Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind nach wie vor wichtig. Sie sind wichtig, um klare Zeichen zu setzen. Aber auch, um ganz praktische Dinge umzusetzen. Egal, ob das Projekt „Jüdisches Leben und Polizei“ oder der Leitfaden zur Verfolgung antisemitischer Straftaten, oder die Fortbildung im Bereich Antisemitismus. Das sind alles Dinge, die es ohne den Antisemitismusbeauftragten und eine entsprechende Dienststelle nicht geben würde.
Es ist weniger ein polizeiliches als ein gesellschaftliches Problem. Das Land Berlin hat ja auch erst seit einiger Zeit einen Ansprechpartner dafür. Ich glaube, wir, die Gesellschaft, haben geglaubt, das Thema sei eigentlich durch. Antisemitismus ist kein Thema mehr, wir haben gelernt. Aber wenn ich mir jetzt gerade angucke, was aktuell passiert – „Querdenker“ und “Corona-Leugner“, die mit „Judensternen“ rumlaufen, auf denen „ungeimpft“ steht, die erklären, dass das Coronavirus eigentlich doch menschengemacht ist und eine ganz große Verschwörung dahintersteckt, die fatal an antisemitische Verschwörungstheorien erinnert – dann wird deutlich, dass es wichtig und richtig ist, einen Antisemitismusbeauftragten zu haben.
Da gilt nach meiner Auffassung: „Besser spät als nie.“ Es ist wichtig, dass wir als Polizei Berlin deutlich Haltung zeigen. Die Annahme, dass wir in Deutschland kein Problem mehr mit Antisemitismus haben, war eine Fehleinschätzung. Latent war Antisemitismus wohl immer vorhanden, vielleicht zeitweise verdeckt, aber eben doch immer da! Zuletzt wurde Antisemitismus an unterschiedlichen Stellen wieder sichtbarer, lauter und aggressiver. Dadurch sollten wir uns alle animiert fühlen, mehr zu tun, deutlicher Farbe zu bekennen und nicht wegzusehen.
Ja, da wird es diese Dienststelle bzw. das Amt noch geben, denn die Polarisierung in der Gesellschaft nimmt derzeit eher zu als ab. Dieser negativen Entwicklung müssen wir konsequent und dauerhaft entgegentreten.
Am Ende kommt es bei uns allen auf eine klare Haltung an. Sie muss zeigen, dass wir als Polizistinnen und Polizisten für das Grundgesetz eintreten, für die freiheitlich demokratische Grundordnung und diese Grundwerte verteidigen. Diesen Anspruch kann ich innerdienstlich haben, muss ihn aber auch außerdienstlich zeigen. Wir sind verbeamtet und haben einen Diensteid geschworen. Es muss allen klar sein, dass wir für unsere Demokratie eintreten müssen, ohne Wenn und Aber!
Im Dienst müssen Polizistinnen und Polizisten sehr viel leisten und oft den Kopf hinhalten für gesellschaftliche Probleme oder Auseinandersetzungen. Wir müssen häufig Dinge tun, die nicht mit unserer eigenen Meinung korrespondieren. Wir schützen auch „rechte“ Aufzüge, solange sie sich im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen, weil es auch zur Demokratie gehört, Meinungen auszuhalten, die unangenehm sind, die man vielleicht total blöd findet. Grundsätzlich sollten wir inner- und außerdienstlich Stellung beziehen und auch mal sagen: „STOP, das ist blöd! Das ist kein lustiger Witz, das ist antisemitisch, sexistisch, antiziganistisch oder rassistisch.“
Ich glaube, da müssen wir als Gesellschaft hinkommen, dass wir da sensibel sind, ohne die Dinge völlig zu überdrehen. Wir müssen sorgsam mit Sprache umgehen, da Sprache Menschen verändert und beeinflusst. Wir dürfen aber auch nicht völlig übers Ziel hinausschießen.
Wir sind als Polizei Berlin auf einem guten Weg und in diesen Themenfeldern vorbildlich und viel weiter als manch andere Sicherheitsbehörde. Und ich würde mir wünschen, dass wir diesen eingeschlagenen Weg konsequent weiter beschreiten. Wir müssen uns auch bewusstwerden, dass diese Themenfelder nicht für jede einzelne Kollegin und jeden einzelnen Kollegen die zentralen Themen sind. Die Kolleginnen und Kollegen haben häufig ganz handfeste Probleme, wie Computer, die nicht funktionieren, Putz, der von der Decke rieselt, Toiletten, die extrem sanierungsbedürftig sind usw., und sie müssen immer das Gefühl haben, dass an diesen Problemen ebenfalls ernsthaft gearbeitet wird. Nur dann werden wir vermitteln können, dass es eben auch einen Antisemitismusbeauftragten braucht.
Als Behörde müssen wir zudem unmissverständlich klarmachen, dass nicht diejenigen, die das Problem benennen, das Problem sind, sondern diejenigen, die das Problem verursachen!