Name: Herr Knecht
E-Mail: dir-zs-ikt-barrierefreiheit@polizei.berlin.de
Telefon: 030-4664-0
Direktion 4 (Süd), Leiterin Abschnitt 41 und 42
Geführt von Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP, am 7. April 2021
Die Polizeiakademie in Bet Schemesch war für uns sehr interessant, da die Ressourcen, die Israel in die Aus- und Fortbildung ihrer Polizistinnen und Polizisten investiert, nicht mit unseren Möglichkeiten vergleichbar sind. Schließlich ging es insbesondere darum, die Sicherheitsarchitektur anzuschauen – da zieht man natürlich Vergleiche.
Zu Beginn der Reise hatte ich schon Bedenken, dass es vielleicht nicht offensichtliche, aber immerhin latente Vorbehalte gegen uns Deutsche geben könnte. Ich habe mir vorgestellt, dass unsere Geschichte und die Schuld eine schwerwiegende Rolle spielen könnte. Diese Schuld hatte ich mit im Gepäck, ich habe die Last gespürt. Vielleicht bin ich sogar deswegen mitgekommen. Aber es stellte sich heraus, dass diese Gedanken völlig unbegründet waren – und zwar während der gesamten Zeit.
Wir wurden gebeten, ein weißes Oberteil anzuziehen und wurden nach der Ankunft sehr herzlich begrüßt.
Während der Begrüßung an der Akademie haben wir uns an einen zentralen Platz begeben, wo wir eine Art Aufstellung eingenommen haben – uns gegenüber stand ein Zug israelischer Polizistinnen und Polizisten.
Ich bekomme schon wieder Gänsehaut, weil das so ein starkes Gefühl war. Wir waren überhaupt nicht darauf eingerichtet und überrascht, dass diese „Zeremonie“ plötzlich einen derartig würdevollen und pathetischen Charakter bekommt. Jörg Wuttig wurde als Ranghöchster ebenso wie Pfarrerin Ludwig als Initiatorin nach vorne gebeten. Und plötzlich wurden unsere beiden Fahnen sowie die der UN gehisst. Wir dachten alle, wir träumen. Hinterher haben wir erfahren, dass so etwas noch nie passiert ist an dieser Akademie. Dass Deutsche und Israelis sich gegenüberstehen und die israelische und die deutsche Nationalhymne gespielt wird. Das war ein überwältigender Augenblick. Wir haben in diesem Moment ein Stück Geschichte miterlebt. Das werde ich nie vergessen.
Die deutsche Nazi-Vergangenheit, für die wir als jüngere Generation keine Schuld tragen, wird inklusive einem schlechten Gewissen ja schon fast vererbt. Wir werden natürlich immer, und das ist auch wichtig, daran erinnert und auf diversen Ebenen damit konfrontiert. Ich habe das Gefühl, die Schuld vererbt sich. Das macht dieses beklemmende Gefühl – jedenfalls für mich: „Wir Deutschen haben Schuld!“
Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, hat mich nachhaltig geprägt und beeindruckt. Danach ist man nicht mehr die Person, die man mal war. Es ist eine Gedenkstätte, die ihresgleichen sucht. Die Darstellungen sind schonungslos und ehrlich, das Grauen wird von allen Seiten gezeigt. Es geht nicht nur um die Geschehnisse in Deutschland, sondern darum was in ganz Europa passiert ist. Mich hat die Kindergedenkstätte psychisch extrem belastet. Aber nach dem Besuch brauchten wir alle unsere Zeit.
Diese Exkursion hat das Ziel, die Sicherheitsarchitektur, die Kultur, aber auch das Leben der Menschen dort kennenzulernen, Gespräche zu führen, sich Zeit zu nehmen. Sie war unglaublich vielfältig und es gab auch immer wieder die Möglichkeit, die Schönheit dieses Landes zu genießen. Es ist eine Reise, die einen nachhaltig prägt. Wenn man sich mit allen Sinnen darauf einlässt, erlebt man ein Wechselbad der Gefühle und ist unheimlich dankbar, dass man die Chance hatte, dieses Land von ganz vielfältigen Seiten zu erleben.
Es ist das Land der Extreme. Es ist modern und weltoffen, aber auch unglaublich konservativ und traditionell. Die Israelis sind, wenn man die geographische Lage betrachtet, und das sagen sie ja auch selber, von Feinden umgeben, die darauf warten, dass Israel Schwäche zeigt, um dann loszuschlagen. Deswegen sind sie so sehr auf ihre innere und äußere Sicherheit bedacht und investieren unglaublich viel Geld und Ressourcen. Das sieht man, wenn man die Akademie besucht. Die Ausbildung ist qualitativ hochwertig und extrem praxisbezogen. Es herrscht eine unglaubliche Disziplin in diesem Land. Auf der anderen Seite sagen sie aber auch, dass sie sich durch die sie umgebenden Feinde und die Attentate im Inneren des Landes nicht wie in einem Gefängnis fühlen möchten. Und so haben sie eine innere Freiheit entwickelt, die sie auch ausleben. Das sieht man ganz klar im modernen und hippen Tel Aviv.
Es fallen mitunter Aussagen wie: „Wir haben unsere Freiheit und Sicherheit mit dem eigenen Blut bezahlt.“ Das macht nachdenklich, auch vor dem Hintergrund der Anschläge in Europa und auch in Berlin.
Die Religion und Historie sind im ganzen Land gegenwärtig. Unterwegs entsteht der Eindruck, man sei um Jahrtausende zurückversetzt. Das irritiert! Am Jordan sieht man beispielsweise die in Wasser eintauchenden und knienden Menschen, Gebete murmelnd, gestikulierend. Man denkt, jeden Moment käme Johannes der Täufer um die Ecke. Die Religion ist dort ebenso präsent, wie in Jerusalem in der Grabeskirche.
Es war eine sehr schöne Reise mit handverlesenen und mit Bedacht ausgewählten Orten.
Auch die bunte Mischung der Kolleginnen und Kollegen war großartig – quer durch die Berliner Polizei und Dienstgrade. Hierarchien haben keine Rolle gespielt. Jede und jeder hatte etwas zu erzählen und eine besondere Geschichte. Von Oma oder Opa, der im Krieg und an der Front war. Die meisten von uns hatten eine Geschichte, auf die sie nicht besonders stolz sind – aber da kann man ja nichts dafür!
„Bewerbt Euch auf diese Reise!“, empfehle ich seither meinen Kolleginnen und Kollegen, wenn Israel zur Sprache kommt.
Es prägt die Persönlichkeit. Ich habe viel mitgenommen.
Meine Hauptmotivation nach Israel zu reisen war die Sicherheitsarchitektur. Ich wollte wissen, wie leben, wie agieren Polizistinnen und Polizisten da eigentlich. Und wie sieht die Sicherheit des Landes aus? Mit Kolleginnen und Kollegen das herauszufinden, Polizei- und Netzwerkarbeit kennenzulernen, das war schon seit meinem Diensteintritt 1987 meine Motivation; möglichst viel zu geben und auch zu nehmen und von den unterschiedlichen Polizeien zu profitieren.
Ich habe einen Vortragenden auf der Polizeistation in Akko gefragt, wie es für ihn ist, wenn er mit Deutschen zusammenkommt. Und ich habe mit ihm über diese nicht enden wollende Schuld gesprochen. Da hat er mich am Arm gefasst und gesagt: „Du hast keine Schuld!“ Das hat mir viel bedeutet.