Name: Herr Knecht
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Telefon: 030-4664-0
Kontaktbereichsbeamter im Scheunenviertel
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Geführt von Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP, am 12. April 2021
Neben meinem Beruf als Polizeibeamter bin ich zeitgleich offizieller Zeitzeuge der Stiftung Berliner Mauer, weil ich seit 1987 in dem Bereich tätig bin: Ich war anderthalb Jahre im Grundwehrdienst als Gefreiter bei den Grenztruppen. Und genau da, wo die Berliner Stiftung ist, da habe ich auf dem Postenturm gesessen.
Seit dem 2. November 1988 war ich hier auf dem Volkspolizeirevier 12, im jetzigen Abschnitt 56. Ich habe dieses Objekt mit eingerichtet, als Dienstanfänger.
Schon zu Zeiten der Volkspolizei haben wir vor den jüdischen Einrichtungen gestanden und die Maßnahmen unterstützt. Als 1988 die Neue Synagoge eröffnet wurde, haben die Volkspolizisten vor der Tür gestanden. Für all die Objekte, die im Osten dazugekommen sind, haben die ganzen Kräfte nicht gereicht. Da wurde uns als Polizeimeister sogar die Funktion eines Wachleiters übertragen. Wachleiter, die den ganzen Wachbetrieb in der Synagoge übernommen haben.
Ab 1993 leistete ich Unterstützung beim Streifendienst VB (ziviler Streifendienst). Da war die Unterstützung der jüdischen Einrichtungen erforderlich. Ich kann mich erinnern, dass in der Großen Hamburger Straße immer diese Figuren beschädigt und gestohlen wurden. Da hatte damals das LKA eine Täterfalle gelegt. In den Örtlichkeiten der Wachpolizei der Jüdischen Oberschule haben wir Zivilfahnder gesessen und auf eine Auslösung gewartet. Aber leider konnten wir damals keine Festnahme tätigen. Genau in den drei Wochen, in denen wir dort Dienst hatten, wurde die Täterfalle nicht ausgelöst. Es wurde keine Sachbeschädigung begangen, keine Figur entwendet.
Jetzt bin ich Kontaktbereichsbeamter im Scheunenviertel und auch im James-Simon-Park. In unserem gesamten Dienststellenbereich sind viele jüdische Einrichtungen, wie die Neue Synagoge, das Mahnmal in der Großen Hamburger Straße, die Jüdische Oberschule, die Rosenstraße.
Wir betreuen regelmäßig Veranstaltungen, die mit Bezug zu jüdischen Gedenktagen angemeldet werden. Die Sophiengemeinde in der Großen Hamburger Straße organisiert beispielsweise jährlich eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht. Immer am 9. November nehmen wir dann als Kontaktbereichsbeamtinnen und Kontaktbereichsbeamte Kontakt mit der Jüdischen Gemeinde und mit der evangelischen Sophiengemeinde auf, um diese Veranstaltungen abzusichern. Wir sind meist bei den Gedenkgottesdiensten dabei. Dabei gehen die Mitglieder der Sophiengemeinde schweigend durch das ganze Scheunenviertel.
Während dieses Schweigemarsches wurden von Passantinnen und Passanten abfällige, antisemitische Bemerkungen gemacht. Dass das alles übertrieben und viele Jahre her wäre. Und einmal, 2019, äußerte sich ein Deutscher mit russischem Hintergrund abfällig über die jüdische Bevölkerung. Dieser Herr hat damals von mir einen Platzverweis bekommen, mit der Ansage, dass so etwas nicht geht. Anschließend habe ich ihm noch etwas zur Geschichte erzählt.
Weiterhin betreuen wir in unserem Bereich jüdische und israelische Veranstaltungen, wie z. B. die Straßenfeste der Jüdischen Oberschule. Wir unterstützen die Wachpolizei bei besonderen jüdischen Feiertagen, wie z. B. beim Pessachfest [Feiertag im März / April zur Erinnerung an den Auszug aus der ägyptischen Sklaverei]. Letztes Jahr war ich auch öfter bei Veranstaltungen im Innenhof der Neuen Synagoge, um da abzusichern und nahm auch an den Gottesdiensten teil.
Wir bekommen immer sehr viel Dank von der Jüdischen Gemeinde und von der Rabbinerin, Frau Ederberg.
Ebenso arbeiten wir auch mit dem Sicherheitsbeauftragten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zusammen. Wenn er irgendwas feststellt, ruft er auf dem Abschnitt an. Da hatte ich Begebenheiten, bei denen ich als Kontaktbereichsbeamter auf das Dienstfahrrad gestiegen bin und die Dinge vor Ort geklärt habe.
Wir sind außerdem für die Sicherheit der Jüdischen Oberschule verantwortlich. Mein Kollege hat dort alles erneuert, also Fluchtwege, Rettungswege, Feuerwehrpläne. Das ist auch in den anderen Örtlichkeiten gang und gäbe, wie z. B. in Hotels oder in meinem Bereich in der Evangelischen Grundschule in der Rochstraße.
Weiterhin organisieren wir die Kontaktaufnahmen mit diversen jüdischen Einrichtungen, Werkstätten oder Verkaufsstellen. Beispielsweise mit dem Geschäft „Levy’s Contor Berlin“ in der Rosenthaler Straße 40, wo es jüdische Spielzeuge und Bücher zu kaufen gibt. Im Rahmen meiner Tätigkeit bin ich mit dem Fahrrad unterwegs und nehme mit den Verantwortlichen zwei- bis dreimal in der Woche Kontakt auf.
Es gibt immer wieder einige Antisemiten, die auf den Hof 7 auf den Hackeschen Höfen gehen und dort den Inhaber verbal beleidigen.
Auch im Café „Hummus and Friends“ neben der Synagoge bin ich gelegentlich. Die Inhaber sind zwei Israelis, welche sich immer freuen, wenn wir im Rahmen unserer Streife Präsenz zeigen. Gerade auch im Sommer, wenn viele Reisende aus Deutschland und der ganzen Welt kommen, sind die jüdischen Bürgerinnen und Bürger immer froh, dass wir als Kontaktbereichsbeamte zugegen sind.
2019 begleiteten wir den Rundgang der israelischen Veteranen, als sie sich die Sehenswürdigkeiten und Objekte in unserem Bereich anschauten. Die Israelis kommen jedes Jahr und tragen ihre Uniformen von der israelischen Armee. Die haben natürlich ihre eigenen Stadtführer. Wir begleiten sie nur als Kontaktbereichsbeamtinnen und Kontaktbereichsbeamte, dass da nichts passiert. Dass eben (deutsche) Uniform vor Ort ist.
Das ist meine persönliche Herzenssache, diese Örtlichkeiten zu betreuen.
Direkt an antisemitische Vorfälle, die mit Straftaten zusammenhängen, kann ich mich jetzt nicht erinnern. Aber es sind immer diese Sprüche, die fallen. Viele junge Leute sind nicht aufgeklärt und haben von der deutschen Geschichte, von dem, was (das nationalsozialistische) Deutschland fabriziert hat, einfach nicht viel Ahnung. Teilweise habe ich Reisende oder Berlinerinnen und Berliner, vor allem jüngere Leute, aufgeklärt, worum es da geht, da sie es gar nicht wussten.
Schultechnisch wird wohl Einigen nicht viel in diesem Bereich beigebracht. Ich habe in meiner DDR-Schulzeit das noch alles gelernt.
Es ist wichtig das Wissen um die deutsche Geschichte zu schützen und zu stärken. Die Gefahren von antisemitischem und rechtsradikalem Gedankengut sind überall sichtbar, wie in Halle oder Hanau. Dann der ganze Nahostkonflikt, der hier auch nach Deutschland, nach Berlin, übertragen wird – und die ganze Situation mit rechtspopulistischen Parteien.