Name: Herr Knecht
E-Mail: dir-zs-ikt-barrierefreiheit@polizei.berlin.de
Telefon: 030-4664-0
Geführt von Wolfram Pemp und Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP,
am 8. April 2021
Während des Abiturs hatte sich schon herauskristallisiert, dass ich zur Polizei wollte. Wie viele junge Leute hatte ich damals eine Affinität zu Spezialeinheiten, ich weiß nicht, warum. „GSG 9“ war wahrscheinlich schon damals jedem ein Begriff, auch mir. Hinzu kam der Begriff „Bundesgrenzschutz“. Dann habe ich mich damit beschäftigt und fand es sehr interessant.
Parallel zur Berliner Polizei hatte ich mich dann auch bei der Bundespolizei beworben und wurde bei beiden für den gehobenen Dienst genommen. Nach mehreren Gesprächen mit Bekannten aus beiden Polizeien hatte ich mich aufgrund der Verwendungsbreite und -nähe zum Heimatort Berlin, wo ich auch geboren bin, für die Berliner Polizei entschieden
Und wenn man einmal im Beruf ist, sieht man, dass es auch andere Zielrichtungen außer den Spezialeinheiten gibt.
Mein Vater ist kein Jude, sondern Atheist. Meine Mama ist jüdisch. Mein Vater war immer Fan vom Beamtentum. Meine Mutter fand das auch eine tolle Idee, dass ich zur Polizei gehen wollte. Mein Freundeskreis auch. Ob jüdisch oder nichtjüdisch. Alle waren sehr begeistert und fanden das sehr spannend.
Erstmals gab es während des Studiums Fragen zu Antisemitismus bei der Polizei. Vorrangig aus Freundeskreisen. „Wie ist das denn so mit Rechten? Hast Du da keine Angst?“ Die Frage kam dann nach und nach sehr häufig. Und heute, wenn ich Leute neu kennenlerne und sie meinen Background kennen, kommen die Fragen immer wieder. Aber mehr aus Interesse, ob dem denn so sei. „Hast Du da Erfahrung gemacht? Gibt es da Rechtsradikale, gibt es da Antisemiten?“
Ich muss sagen, dass ich in dreizehn Jahren in dieser Behörde persönlich keinen einzigen Fall von Antisemitismus gegen mich oder gegen irgendeine andere Person mitbekommen habe. Ich sage nicht, dass es das nicht gibt. Wir sind ein Querschnitt der Bevölkerung, also wird es das hier auch geben. Ich war auch schon auf einigen Dienststellen, habe aber weder abfällige Kommentare gegen Jüdinnen und Juden noch Antisemitismus in anderer Form erlebt. Ich beschönige das nicht, aber ich kann nichts Anderes behaupten. Ich habe es in unserer Behörde einfach nicht erlebt. Das fand ich bis heute sehr positiv. Was es meiner Einschätzung nach sicherlich gibt, das sind rassistische Sprüche.
Nach dem Studium war ich fünf Jahre in verschiedenen [Führungs-]Positionen bei den Einsatzhundertschaften. Danach in der Rotation auf dem Abschnitt, in der Dienstgruppenleitung, auf der Wache, dem Funkwagen, im Streifendienst. Auf dem Abschnitt war ich ein Jahr, dann ein halbes Jahr im Stab des Polizeipräsidenten. Danach zurück zur Direktion Einsatz/Verkehr.
Die Entwicklung der Polizei Berlin sehe ich im gesamten Kontext total positiv. Ich will es nicht auf den Bereich Antisemitismus beschränken. Wir sind ja nichts Besonderes. Wir, als Behörde, sind schon sehr, sehr multikulturell geworden. Und ich finde es sehr gut, dass wir so eine Entwicklung gemacht haben. Ich frage mich nur manchmal, warum so wenige jüdische Kolleginnen und Kollegen in dieser Behörde vertreten sind.
Jüdischsein – das merkte man schon beim Studium und später auf den verschiedenen Dienststellen – das ist und war immer etwas Besonderes. Und das gar nicht im negativen, sondern durchaus im positiven Sinn. Da die meisten Kolleginnen und Kollegen nie irgendwelche persönlichen Kontakte oder Berührungspunkte mit Jüdinnen und Juden hatten, waren die meisten zwar anfangs eher vorsichtig, hatten dann aber schnell Interesse gezeigt. Schon während des Studiums wird einem eingetrichtert, dass man mit der Thematik „Judentum“ sehr vorsichtig umgehen sollte, da man sehr schnell sehr tief fallen kann.
Ich habe mich offen auf jeder Dienststelle damit präsentiert und nie ein Geheimnis daraus gemacht. Ich habe auch nicht gewartet, dass man mich fragt. Schon alleine aufgrund meines Aussehens würde ich früher oder später eh angesprochen werden. Da kommt eh die Frage: „Wo kommst Du eigentlich her, was hast Du für einen Hintergrund?“ Ich stelle mich immer damit vor, dass ich einen israelisch-marokkanischen, also einen sephardischen Hintergrund habe [Bezeichnung für Jüdinnen und Juden ursprünglich aus dem mittelalterlichen Spanien und Portugal, später auch aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum]. Dadurch kamen dann auch gelegentlich Fragen, ob ich mich koscher [rituell erlaubt] ernähre, wie es in Israel ist, wie das mit der Armee dort ist. Es kam nur Positives, nichts Negatives.
Ja und nein. Auf der einen Seite ist die Sicherheit, die mit dem Beamtendasein einhergeht, sicherlich von Vorteil und lässt einen ruhig schlafen. Auf der anderen Seite glaube ich einfach, dass das Beamtentum grundsätzlich nicht für diejenigen geeignet ist, welche ausschließlich nach ihrer Leistung gewürdigt und bezahlt werden wollen. Man kann jeden Tag unzählige Überstunden leisten, die größten Festnahmen tätigen oder die besten Vorgänge schreiben und dennoch kann es passieren, dass andere an einem vorbeiziehen, weil sie schlichtweg „an der Reihe sind“. Dieses bestehende Prinzip kann auch demotivieren. Ich für meinen Teil hätte mir im Nachhinein auch vorstellen können, mein Potenzial woanders auszuschöpfen.
Für mich ist wichtig, dass Jüdischsein Teil unserer Gesellschaft ist. Und es soll auch nicht mehr dieses Spezielle sein. Es ist nichts Besonderes. Es ist eine Religion. Es gehört heutzutage – wie schon immer – zu Deutschland und zu Berlin. Und es sollte selbstverständlich auch zur Polizei Berlin gehören.
Das Jüdischsein prägt mein tägliches Leben. Ich bin Jude, aber ich bin nicht strenggläubig. Meine Verlobte ist auch Jüdin und hat denselben israelischen Background wie ich. Ich spreche mit meinem Kind ausschließlich Hebräisch.
Und auch jeden Freitag beim Schabbat bei meinen Schwiegereltern wird nur Hebräisch am Tisch gesprochen, die sind traditionell. Wir haben große Familien in Israel. Für mich ist der Glaube gar nicht so wichtig, mir geht es vielmehr um die Tradition und Kultur, die Sprache und die Geschichte, die damit einhergehen. Einfach um das Gemeinschaftliche. Jeden Freitag am Schabbat oder bei den wichtigen jüdischen Feiertagen als Familie zusammenzusitzen und zu feiern ist mir wichtiger als das Gebet zu sprechen.
Wenn es innerhalb unserer Behörde zu antisemitischen Straftaten kommt, muss man das selbstverständlich sofort unterbinden und konsequent verfolgen. Bei rassistischen und antisemitischen Sprüchen oder abwertenden Kommentaren sollte man das sofort ansprechen und klarmachen, dass das inakzeptabel ist.
Man muss den Menschen mit Respekt begegnen, damit man auch Respekt erfährt.