Name: Herr Knecht
E-Mail: dir-zs-ikt-barrierefreiheit@polizei.berlin.de
Telefon: 030-4664-0
Direktionsleiter Direktion 5 (City)
Geführt von Thomas Ziem, LKA Präv Projekt JLUP, am 19. April 2021
Israel ist das Land mit der größten Anschlagserfahrung, deshalb war ich neugierig, was wir dazu für Anregungen mitnehmen können. So eine Chance ist für jede Polizistin und jeden Polizisten toll, insbesondere auch für mich in meiner Funktion als Angehöriger der Einsatzdirektion und als Beteiligter beim Einsatz nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016. Ich traf auf ganz hervorragende Gesprächspartner und konnte tiefe Einblicke gewinnen.
Israel hat eine Inselstellung, umgeben von meist feindlich eingestellten Nachbarländern. Ich verstehe deshalb ihre politische und resolute Haltung gegenüber ihren Feinden, aber genauso spannend hätte ich es bei der Reise auch empfunden, die arabische und palästinensische Seite zu erleben. Abgesehen von dieser riesigen Mauer, an der wir vorbeigefahren sind, fehlen mir weitere Eindrücke.
Ich bin jedoch davon überzeugt, dass alle Teilnehmenden ihr Leben lang von dieser erlebnisreichen Reise zehren werden.
Darüber hinaus fand ich es sehr angenehm, dass wir in keiner Weise aufgrund unserer deutschen Geschichte despektierlich behandelt wurden. Die Leute begegneten uns offen und freundlich und fanden es auch teilweise toll, dass wir aus Deutschland kamen.
Yad Vashem [Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem] ist für alle Besuchende Israels eine Pflichtveranstaltung, die ich auch jeder Polizistin und jedem Polizisten am liebsten gönnen wollen würde, da sich einem an diesem Ort die weltweite Dimension des Holocausts erst richtig erschließt.
Des Weiteren fand ich sehr bemerkenswert, wie wir den Umgang innerhalb der israelischen Polizei mit den verschiedenen Glaubensrichtungen des Landes erlebten.
Sich genau entsprechende Gegenpole arbeiten in Israel in der Polizei zusammen – Judentum und Islam. Auf die Frage, wie man mit den unterschiedlichen Feiertagen innerhalb des Dienstes umgeht, wurde geantwortet, dass zu allererst beide Konfessionen Polizisten sind und sie zunächst diesen Auftrag erledigen müssen.
Erst in der zweiten Ebene guckt man, wie man den jeweiligen Interessen der verschiedenen Glaubensrichtungen gerecht werden kann. Schwerpunkt sollte immer sein, sich nach innen hin zu orientieren und sich der gemeinsamen Aufgabe zu widmen.
Wie schaffen es die Israelis nach einem Anschlag so schnell das normale Leben wiederherzustellen? Sie signalisieren damit nach außen: „Ihr kriegt uns nicht! Ihr könnt uns nicht besiegen!“ Dies ist ein ganz klares Statement: „Wir stehen zu unserem Leben, wir lassen uns das nicht nehmen!“
Das ist ein Aspekt von gesellschaftlicher Haltung, der mich tief beeindruckt hat.
So etwas ist bei uns noch nicht etabliert. Wir leiden, bedauern und trauern nach einem Anschlagsszenario. Trauer ist wichtig, dafür muss man sich auch Zeit nehmen, aber die nach außen getragene Grundhaltung muss lauten:
„Wir lassen uns unser Leben und unsere Existenz nicht nehmen!“
Wir sind alle mit einem durchaus schlechten Gewissen und einer gewissen Unsicherheit nach Israel gereist, da wir, als Deutsche, eine lebenslange Schuld haben. Diese Schuld sollte aber nicht zum Wegducken benutzt werden, sondern man sollte offen in den Dialog treten. Man muss vor Ort auch signalisieren, dass man bereit ist, alle Seiten zu verstehen und dass man sich der historischen Verantwortung bewusst ist.
Gleichwohl konnten wir feststellen, dass uns die Israelis nicht etwa als schlechtere Menschen ansehen, sondern grundsätzlich eine ganz, ganz hohe Meinung von uns Deutschen haben.
Dass Antisemitismus mit allen Mitteln nach innen bekämpft werden muss, aber auch nach außen, das sollte mittlerweile jeder Polizistin und jedem Polizisten eine Herzensangelegenheit sein.
Ich erinnere mich mit ganz tiefen tollen Gefühlen an diese einzigartige Reise.